Aufstieg und Fall des Strophanthins wurden durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt. In dem Buch „Strophanthin – die wahre Geschichte“ werden diese Faktoren ebenso wie die handelnden Personen und Institutionen detailliert beschrieben. Mit einer Fülle von bisher nicht publizierten Fakten werden Motive und Hintergründe aufgezeigt.

 

Die Strophanthuswirkstoffe g-Strophanthin (Ouabain) und k-Strophanthin gehören aufgrund ihrer chemischen Struktur ebenso wie Digitaliswirkstoffe zur Klasse der herzwirksamen Steroidglykoside. Um zu verstehen, wodurch Strophanthuswirkstoffe sich in ihren therapeutischen Wirkungen von den auch heute noch in der Behandlung von Herzinsuffizienz eingesetzten Digitalisderivaten Digoxin und Digitoxin unterscheiden, ist es notwendig, sich mit der Geschichte und der Entwicklung der Herzglykoside auseinander zu setzen. William Withering hat im 18. Jahrhundert mit seinen Untersuchungen der Wirkung von Fingerhutextrakten an Patienten den Grundstein zum Verständnis der Digitaliswirkungen gelegt. Fraser hat mit seinen Studien zu Strophanthusextrakten am Ende des 19. Jahrhundert zeigen können, dass Digitalis- und Strophanthuswirkstoffe über ähnliche therapeutische Wirkungen verfügen. Die klinischen Erfahrungen mit den zahlreichen Digitalis- und Strophanthuspräparaten waren sehr unterschiedlich. Vor allem bei Strophanthuszubereitungen war die Zuverlässigkeit der Wirkungen sehr gering. Manche Präparate waren wirkungslos, andere wiederum außerordentlich wirksam. Auch die Verwendung reiner Wirkstoffe an Stelle von Extrakten änderte hieran nichts. Im Gegensatz zu den Strophanthuspräparaten gelang es im 20. Jahrhundert Digitaliszubereitungen herzustellen, welche gut reproduzierbare Effekte zeigen. Deshalb setzten sich die oral gut wirkenden Digitalispräparate in der Praxis durch. Strophanthuspräparaten haftete der Makel der unzuverlässigen Wirkung an. Allein die von Albert Fraenkel und Ernst Edens propagierte intravenöse Applikation von Strophanthuswirkstoffen sicherte den Strophanthinen einen Nischenplatz in der Therapie von Herzerkrankungen.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg initiierte der Stuttgarter Internist Berthold Kern in Zusammenarbeit mit Boehringer Mannheim eine Wiederbelebung der oralen Strophanthintherapie. Ausgangspunkt dieser Bemühungen waren die von Kern als „Linksinsuffizienz“ bezeichneten Thesen zur Pathogenese der Herzinsuffizienz. Diese wurden von den Hochschulklinikern heftig kritisiert. Auch die darauf aufbauende „Linksmyokardiologie“ zur Erklärung der Ursachen von Herzinfarkt traf auf entschiedenen Widerstand der Schulmediziner. Der Streit zwischen Kern und Schulmedizinern wurde über die Medien ausgetragen und eskalierte 1971 in einem Tribunal, in welchem die Kern’schen Thesen offiziell als falsch verurteilt wurden. Die Verquickung von Strophanthin mit den Kern’schen Thesen trug erheblich zur Ablehnung der Strophanthintherapie bei. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatte Strophanthin in der therapeutischen Praxis keine Bedeutung mehr.

 

Das 1976 infolge des Contergan-Skandals verschärfte Arzneimittelgesetz hatte weitreichende Konsequenzen für die Zulassung neuer und alter Arzneimittel. Die sich daraus ergebenden Anforderungen waren für viele Hersteller von Strophanthinprodukten eine unüberwindbare Hürde. Alle Hersteller stellten den Vertrieb von Strophanthin nach einander ein. Seit Sommer 2012 gibt es kein zugelassenes Strophanthinpräparat mehr.

 

Höhen und Tiefen der Strophanthintherapie sind eingebunden in die Entwicklung von Pharmazie und Medizin. Vielfältige Forschungsergebnisse ermöglichen heute ein vertieftes Verständnis der Wirkungen von Herzglykosiden. Von weitreichender und immer wieder unterschätzter Bedeutung für die Strophanthintherapie sind Erkenntnisse in der Forschung zur Galenik von Arzneimittel.